Interpellation zur OLS (Schäfli/Reinhart)

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Die Antwort des Regierungsrats

Der Regierungsrat des Kantons Thurgau an den Grossen Rat
Frauenfeld, 11. Januar 2022

Interpellation von Nina Schläfli und Sandra Reinhart vom 8. Dezember 2021 „Planungsstand Oberlandstrasse: Steckt die OLS in der Sackgasse?“

Beantwortung
Sehr geehrte Frau Präsidentin
Sehr geehrte Damen und Herren
2012 fällten die Thurgauer Stimmberechtigten mit dem Netzbeschluss BTS/OLS den Grundsatzentscheid für die Bodensee-Thurtalstrasse (BTS) und die Oberlandstrasse (OLS). Die Vorhaben sollen das wachsende Verkehrsaufkommen kanalisieren und lenken. Zudem sollen sie die Städte und Dörfer von Verkehr, Lärm und Abgasen entlasten und den Bodenseeraum besser Richtung Zürich anbinden. BTS und OLS sind eng miteinander verbunden. Wird die BTS gebaut, erzeugt sie Verkehrsverlagerungen in den Räumen Romanshorn-Uttwil und Amriswil-Langrickenbach (Zubringerverkehr zur BTS). Die OLS stellt eine flankierende Massnahme zur BTS dar. Sie soll deshalb mit der ersten BTS-Etappe von Arbon bis Amriswil als Entlastung realisiert werden. Solange die BTS nicht gebaut wird, ist die Realisierung der OLS nicht notwendig.
Per 1. Januar 2020 hat der Bund die ehemaligen Hauptverkehrsstrassenabschnitte H14 und H474 als neue N23 ins Nationalstrassennetz übernommen. Die BTS ist damit zu einer Nationalstrassenplanung des Bundes geworden. Der Kanton Thurgau hat dem Bundesamt für Strassen (ASTRA) die geleisteten Vorarbeiten, die inhaltlich einem Ge-nerellen Projekt nach Art. 12 des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen (NSG; SR 725.11) entsprechen, Ende 2019 zur Weiterbearbeitung übergeben. Der Bundesrat wird in Kürze das nächste Strategische Entwicklungsprogramm Nationalstrassen (STEP) in die Vernehmlassung schicken. Darin werden einerseits die baureifen Projekte des nächsten Ausbauschrittes 2023–2027 genannt und andererseits die notwendigen Planungsprojekte einem Realisierungshorizont 2030 oder 2040 zugeteilt. Nach der Ver-nehmlassung wird das STEP bereinigt, und der Bundesrat unterbreitet den eidgenössi-schen Räten eine Botschaft zum Ausbauschritt 2023 und zu dem dafür erforderlichen Verpflichtungskredit. Bis zum Abschluss des Geschäfts auf Bundesebene sind keine Aussagen zu einem möglichen Realisierungszeitpunkt der BTS möglich.
GRG Nr. 20 IN 25 255 2/6

Die OLS bleibt eine Kantonsstrassenplanung. Das Vorprojekt dafür liegt vor. BTS und OLS bilden ein verkehrliches Gesamtpaket. Um die OLS-Projektierung auf die BTS-Planung abzustimmen, wird sie zeitgleich mit der Bundesplanung zum Bauprojekt weiterentwickelt. Sie wird deshalb erst weiterbearbeitet, wenn die BTS einem konkreten Ausbauschritt zugeteilt ist und die Projektierung dafür ausgelöst wird.

Frage 1 a
Die Vernehmlassung zum Vorprojekt für die OLS kann erst terminiert werden, wenn der Zeitplan für die BTS geklärt ist.

Frage 1 b
Eine grossräumige, auf die Siedlungsentwicklung abgestimmte Verkehrslösung erfordert die Realisierung der BTS und OLS. Unabhängig davon basiert die kantonale Verkehrspolitik auf dem 2011 entwickelten und 2021 überarbeiteten Gesamtverkehrskonzept mit den drei Säulen „Öffentlicher Verkehr (ÖV)“, „Motorisierter Individualverkehr (MIV)“ und „Langsamverkehr (LV)“. In den urbanen Räumen ist primär die Förderung des ÖV und des LV vorgesehen.
Mit folgenden Massnahmen im öffentlichen Verkehr soll eine Verlagerung des Verkehrs von den Strassen auf den öffentlichen Verkehr zwischen den Zentren Konstanz / Kreuzlingen und Romanshorn / Amriswil / Arbon / St.Gallen erreicht werden.
– Seit 2019 verkehren zu den halbstündlich verkehrenden S-Bahnen Konstanz–Kreuzlingen Hafen–Romanshorn–St.Gallen zusätzlich stündlich RegioExpress-Züge. Mit den RegioExpress-Zügen dauert die Fahrt von Kreuzlingen Hafen nach St. Gallen 32 statt 54 Minuten.
– Seit 2019 verkehren die S-Bahnen Schaffhausen–Kreuzlingen–St.Gallen weiter nach Gossau–Wil. Damit werden umsteigefreie Verbindungen nach St.Gallen West angeboten.
– Ab 2022 wird die S7 Romanshorn–Rorschach zweistündlich nach St. Margrethen–Bregenz–Lindau verlängert (vorerst nur am Wochenende, später an allen Wochentagen). Damit werden attraktive Zugverbindungen zwischen Lindau–Bregenz und dem Kanton Thurgau geschaffen.
– Der Kanton Thurgau setzt sich beim Bund für eine Verlängerung der stündlichen RegioExpress-Züge St.Gallen–Konstanz nach Singen–Schaffhausen–Basel ab 2028 ein. Damit können attraktive Direktverbindungen zwischen St. Gallen / Romanshorn / Kreuzlingen / Konstanz und Radolfszell / Singen / Schaffhausen / Waldshut / Basel angeboten werden.
– Der Kanton Thurgau wird sich im Rahmen des STEP des Bundes für eine Takt-verdichtung der RegioExpress-Züge Konstanz/Kreuzlingen–St.Gallen zum Halbstundentakt einsetzen. Im vom Bundesparlament genehmigten Bahnausbauschritt 2035 ist dieser Angebotsausbau jedoch noch nicht enthalten.
Im Bereich Langsamverkehr baut das Tiefbauamt in Zusammenarbeit mit den Gemeinden die Infrastruktur für den Fuss- und Veloverkehr auf der Basis des Langsamver-kehrskonzepts jährlich weiter aus. In den nächsten Jahren stehen u.a. die Radwege von Tägerwilen nach Ermatingen und von Kreuzlingen nach Bätershausen auf dem Pro-gramm. Als strassenseitige ÖV-Massnahme wurde kürzlich eine Busspur auf der Seetalstrasse dem Verkehr übergeben. Eine weitere Busspur ist von Scherzingen Richtung Bottighofen vorgesehen. Im kürzlich erarbeiteten Konzept „Kombinierte Mobilität“ werden zudem Überlegungen angestellt, wie die verschiedenen Zubringer zum ÖV attrakti-ver ausgestaltet werden können, sei dies mit Carsharing-Angeboten, Park+Ride-Plätzen, Veloabstellplätzen an Bahnhöfen oder Bushaltestellen.
Auch mit dem Agglomerationsprogramm Kreuzlingen−Konstanz werden zahlreiche ÖV- und LV-Vorhaben unterstützt. So wurde u.a. der Radweg von Tägerwilen zum Gottlieber Zoll mitfinanziert. Zudem wird demnächst mit Bundeshilfe der Radweg von Tägerwilen nach Lengwil realisiert. Im kleineren Rahmen werden fehlende Gehwege ergänzt oder Fussgängerquerungen mit Mittelinseln sicherer ausgebaut. Geschützte Veloabstellplätze machen zudem das Radfahren attraktiver.
Das Gesamtverkehrskonzept sieht allerdings auch vor, dass die Funktionsfähigkeit der Strassennetze zu erhalten ist. Hierzu wird die OLS insbesondere in Kreuzlingen und Bottighofen einen wichtigen Beitrag leisten, weil damit bestehende Strassen erheblich entlastet werden. Davon profitieren der ÖV und der LV und deren Ausbaupotenziale vergrössern sich.

Frage 2 a
2012 wurden die Kosten der OLS mit 220 Millionen Franken beziffert (Kostengenauigkeit ± 25 %). Darin war kein Ausbau der bestehenden Strecken zwischen Rutishausen−Oberaach und Lengwil−Kreuzlingen vorgesehen. Gemäss dem Planungsstand des Vorprojekts liegen die OLS-Kosten je nach Variante beim Anschluss Münsterlingen zwi-schen 221 und 249 Mio. Franken (inkl. zusätzliche Ausbaustrecken). Unter Berücksichtigung der begleitenden Massnahmen im Rahmen des Gesamtprojekts „Mobilität Thurgau – BTS/OLS“ (z.B. Güterzusammenlegung, Raumentwicklungskonzept) ergeben sich für die OLS Gesamtnettokosten zwischen 254 und 282 Mio. Franken.
Da die Varianten- und Ausbauentscheide erst nach der Vernehmlassung zum Vorprojekt gefällt werden, ist zum heutigen Zeitpunkt von Kosten zwischen 221 und 282 Mio. Franken auszugehen.

Frage 2 b
Die Kosten für die zusätzliche Überdeckung im Bereich der Schiessanlage Fohrenhölzli betragen zirka 10 Mio. Franken. Die Überdeckung im Bereich Pfaffenwies betrifft die Spange Bätershausen, nicht die OLS. Zum Kostenteiler können keine Aussagen gemacht werden, da hierzu noch keine Verhandlungen geführt wurden. Da es sich bei den Überdeckungen um nicht zwingend notwendige Massnahmen handelt, wäre eine nam-hafte Beteiligung der Stadt Kreuzlingen zu erwarten.

Frage 2 c
Die Arbeiten am Projekt OLS (Verkehrslösungen Kreuzlingen, Erarbeitung Netzbeschluss, Vorstudie OLS, Vorprojekt OLS) kosteten bis dato 4.7 Mio. Franken. Davon sind 4.1 Mio. Franken externe Kosten und 0.6 Mio. Franken Verwaltungskosten (interner Stundenansatz Fr. 100 pro Stunde).

Frage 2 d
Gemäss § 15 Abs. 1 des Gesetzes über Strassen und Wege (StrWG; RB 725.1) entscheidet der Grosse Rat mit dem Voranschlag abschliessend über den Bau von Kantonsstrassen und -wegen. Mit dem Baubeschluss werden auch die notwendigen Mittel aus der Spezialfinanzierung für die Realisierung des Vorhabens freigegeben. Die Formulierung „abschliessend“ in der zitierten Bestimmung macht deutlich, dass keine Volksabstimmung erforderlich ist. Folgerichtig wurde für die OLS 2012 kein „Baukredit“ zur Abstimmung gebracht, sondern eine Finanzierungslösung mit einer Erhöhung der Strassenverkehrsabgaben um 10 %. Diese wurde abgelehnt. Der eigentliche Baubeschluss des Grossen Rates für die OLS steht noch aus.

Frage 3 a
Als Kulturlandverlust werden jene Flächen bezeichnet, die durch den Bau der OLS neu versiegelt werden oder als Strassenränder und Böschungen verwendet werden und nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar sind. Stand Vorprojekt sind dies je nach Variante beim Anschluss Münsterlingen 17 bis 19 ha. Davon betroffen sind je nach Variante beim Anschluss Münsterlingen 19 bis 20 juristische und 93 bis 95 natürliche Personen.
Davon zu unterscheiden ist die Güterzusammenlegung (GZ), mit der für die landwirt-schaftlichen Betriebe in einem grösseren Perimeter eine deutliche Strukturverbesserung erzielt werden soll. Der GZ-Perimeter umfasst 1’500 ha landwirtschaftliche Nutzfläche und ca. 300 ha Bauzonen und Wald. Betroffen sind 127 Landwirte und 19 Hobbybetriebe (Kleintier- oder Pferdehalter).
Der Landerwerb wird im Rahmen der Güterzusammenlegung erfolgen, in die der Kan-ton die eigenen Flächen einbringen wird, sodass für die aktiven Landwirte ertragsäquivalente Flächen resultieren. Ziel ist es, den Eigenlandverlust für die betroffenen aktiven Landwirte zu minimieren.

Frage 3 b
Die Austauschflächen für Kulturland und Wald sind noch nicht abschliessend festgelegt, da der Landerwerb wie oben erwähnt im Rahmen der Güterzusammenlegung erfolgt. Die Fruchtfolgeflächen werden vollständig kompensiert. Im Rahmen des Gesamtprojekts „Mobilität Thurgau – BTS/OLS“ wurden Flächen im Umfang von 52 ha evaluiert, die zu Fruchtfolgeflächen aufgewertet werden können. Vorschläge zu den Waldkompensationen werden mit dem Forstamt evaluiert.

Frage 3 c
Der Brutto-Flächenbedarf, d.h. die Summe der definitiv beanspruchten Flächen, beträgt wie oben erwähnt je nach Variante beim Anschluss Münsterlingen 17 bis 19 ha. Davon werden 10 bis 11 ha dauerhaft versiegelt und 7 bis 8 ha als unversiegelte Böschungsflächen oder Strassenränder genutzt. Der Anteil Fruchtfolgeflächen an den definitiv beanspruchten Flächen liegt zwischen 13 und 15 ha.
Die Differenzierung nach einzelnen Zonen zeigt folgendes Bild:
– Landwirtschaftszone 65 %
– Weitere Zonen ausserhalb des Baugebiets 20 % (5 % Wald, 15 % Verkehrsflächen ausserhalb Bauzonen)
– Landschaftsschutzzone 13 %
– Bauzone 2 % (1.8 % Verkehrsflächen, 0.2 % Arbeits- oder Wohnzonen)
Die Zuteilung zu den Zonen ist für alle drei Varianten vergleichbar.

Fragen 4 a und 4 b
Verkehrspolitik ist eine rollende Planung, die neue Rahmenbedingungen, Erkenntnisse und Prognosen zu berücksichtigen hat. Das Gesamtverkehrskonzept als wichtigstes Instrument und Ausdruck einer koordinierten Verkehrspolitik wird alle 10 Jahre überarbeitet, um neuen Umständen Rechnung zu tragen.
Die kürzlich publizierten Verkehrsprognosen 2050 des Bundes weisen weiter hohe, wenn auch langsam abflachende Verkehrswachstumsraten aus, obwohl künftig mit mehr Homeoffice gerechnet wird und Lenkungsmassnahmen berücksichtigt wurden. Der Individualverkehr wird im Kanton Thurgau auch in den nächsten Jahrzehnten eine wichtige Rolle spielen. BTS und OLS entsprechen deshalb weiterhin einer bedarfsgerechten Bereitstellung der Infrastruktur für den Individualverkehr. Als grossräumige Entlastungs- strassen sind sie immer noch ein zentrales Element der zukünftigen Thurgauer Verkehrslandschaft.
Wie die Fragestellerinnen ausführen, finden heute bei Strassenneubauprojekten sorgfältige Abwägungen statt, und verschiedene Entwicklungen werden mitberücksichtigt. Bei der Ausarbeitung der BTS und OLS wurde eine schweizweit modellhafte Planung geleistet, in der die Teilprojekte Raumentwicklung, Güterzusammenlegungen und Strassenrückbau über den ganzen Planungsprozess mitbearbeitet wurden. Eine grundsätzliche Neubeurteilung des Entscheides zum Bau der BTS und OLS ist deshalb nicht angezeigt.

Die Präsidentin des Regierungsrates
Der Staatsschreiber